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Hessen: Neue Richtlinien für Solaranlagen auf denkmalgeschützten Bauten

Paukenschlag oder Scheinriese? Mit Datum 6. Oktober 2022 hat das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst eine Richtlinie für die Denkmalbehörden des Landes zum Umgang mit Solaranlagen an bzw. auf denkmalgeschützten Bauten erlassen. Waren die bisherigen Beurteilungen in dieser grundsätzlichen Frage sehr uneinheitlich, so ist von nun an „eine Genehmigung für Solaranlagen regelmäßig zu erteilen“ (Schriftsache HMWK-784/12.000-(0053) vom 6.10.2022, Abs. 3, Satz 1).

Weiter heißt es: „Allenfalls bei erheblicher Beeinträchtigung eines Kulturdenkmals kommt eine abweichende Entscheidung in Betracht (…) Insbesondere bei folgenden Sachverhalten kann eine erhebliche Beeinträchtigung eines Kulturdenkmals vorliegen: bei künstlerischen oder städtebaulichen Ausweisungsgründen eines Kulturdenkmals, bei ortsbildprägenden Gesamtanlagenobjekten (die herausragend an bedeutenden Plätzen, Straßenzügen oder in Sichtachsen liegen …“

Solaranlagen auf Denkmalgeschützten Gebäuden (Kleine Reihe Band 2),
den kompletten Richtlinientext finden Sie hier.

Trotz dieser ernstzunehmenden Einschränkungen und Präzisierungen werden damit grundsätzliche, rechtliche Möglichkeiten zum Einsatz von PV-Anlagen auf den Dächern auch von Neutra-Bauten geschaffen.

Auch mit der geänderten Rechtslage bleibt die Frage zu beantworten, ob und inwieweit der Einsatz von PV auf den Flachdächern sinnvoll ist.
Nach bisheriger Kenntnis ist vor einer sofortigen Umsetzung zu warnen. Grund dafür sind die nicht unkomplizierten bauphysikalischen Bedingungen, unter denen die Flachdächer bei Einbau einer PV-Anlage schadensfrei bleiben können. Viele der Dächer sind inzwischen voll- oder teilgedämmt. Eine Installation von PV-Anlagen führt zu einer erheblichen Verschattung der Dachoberflächen, was negative Auswirkungen auf den jahreszeitlichen Feuchteausgleich im Dach haben wird. Im ungünstigen Fall wird Feuchte nämlich nicht mehr hinreichend durch sommerliches Aufheizen nach Außen transportiert. In der Folge kann angesammelte Feuchte im Winter zu Schimmelbildungen in der tragenden Holzkonstruktion führen.

Jedes Dach sollte daher vor der Konzeption einer PV-Anlage individuell durch einen Bauphysiker hinsichtlich seiner Resilienz gegenüber einer konkreten dauerhaften Verschattung durch die PV-Paneele untersucht werden. Stichwort ist hier die sog. WUFI-Berechnung, die über einen Zeitraum von fünf, besser zehn Jahre gerechnet werden sollte.

Die Neutra-Gesellschaft wird in einem Webinar im Frühjahr 2023 mit Experten aus Denkmalschutz, Bauphysik, Tragwerksplanung sowie PV-Anlagenplanung Tipps und Hinweise zu den für unsere Flachdächer wichtigen Aspekten präsentieren.