Richard J. Neutra Gesellschaft e.V.

„Pflanzen Wasser Steine Licht“ – Bauen mit der Landschaft

„Man stelle den Menschen in eine Verbindung mit der Natur; dort hat er sich entwickelt und dort fühlt er sich besonders zu Hause.“

Richard Neutra kam bereits in jungen Jahren im Rahmen einer kriegsbedingten Kur in der Schweiz in Kontakt mit dem bedeutenden Landschaftsarchitekten Gustav Ammann. In dieser Zeit erkannte Neutra, dass die Architektur und die Gartenplanung als integriertes Gesamtwerk zu verstehen sind. Der stets wichtige Bezug zur Natur in Neutras Architektur und seine später von ihm als „Biorealismus“ bezeichnete Grundhaltung einer „inhärenten und untrennbaren Beziehung zwischen Mensch und Natur“ sind Zeugnis des Einflusses von Ammann.

Neutra: „Es war Gustav Ammann, dem ich mein Verständnis dafür zu danken habe, dass die Entstehung von Architektur immer auch eng verflochten ist mit der Natur und der sie umgebenden Landschaft.“

„Ein richtig entworfenes Haus ist eben nicht ein statisches Gehäuse, sondern gewissermaßen ein Spiegel des Naturgeschehens darum herum, und gerade dadurch eine immer neue Seelenerfrischung.“

Neutras architektonisches Hauptmotiv war die Einbindung des Menschen und des Hauses in die Natur, die Öffnung und Verbindung von Innen und Außen – diese wegweisende Perspektive für eine „Grüne Architektur“ wurde von ihm als Biorealismus bezeichnet.

In der Umsetzung führte ihn dieser Ansatz zu den für ihn typischen Gestaltungselementen: eine vom Innenraum durch Glasschiebewand getrennte Terrasse lässt das Verhältnis zwischen Innen- und Außenraum unklar erscheinen, durch niedrige Brüstungshöhen bzw. raumhohe Glaswände ist das Innen und Außen eines Gebäudes eng verquickt. Neutra versuchte das Haus mit seiner Umgebung zu verweben. Dafür setzte er z.B. spiegelnde Wasserbecken oder seine berühmten „spider legs“ ein, Dachüberstände und Balken, die sich über die Außenmauern hinaus fortsetzen.

Für die Bewobau-Siedlungen in Quickborn (bei Hamburg) und Walldorf (bei Frankfurt) erarbeitete der durch seinen Entwurf für den Hamburger Alsterpark bekannt gewordene Landschaftsarchitekt Gustav Lüttge (1909-1968) grundstücksübergreifende Konzepte für die Gestaltung sämtlicher Freianlagen, die bis hin zu detaillierten Pflanzplänen konkretisiert waren – eine absolute Besonderheit auch aus heutiger Sicht.

Haus Chuey, Los Angeles (Quelle: Manuel Bechthold Barbara Lamprecht)

Haus Marienhöhe 28, Quickborn Foto: Eberhard Troeger

Haus Marienhöhe 28, Quickborn Foto: Eberhard Troeger

Lüttge und Neutra hatten die Vision einer offenen und parkartigen Wohnsiedlung, deren Charakter durch den Erhalt von möglichst vielen Großbäumen des ehemaligen Kiefernforstes (Walldorf) geprägt sein sollte. Die orthogonale Formensprache der Wohnhäuser Neutra’s führte Lüttge schließlich wie selbstverständlich in den Entwürfen für den Außenraum fort. Eine nahezu ideale Symbiose zwischen gleichwertigen Innen- und Außenräumen entstand.

Sichtbare Grundstücksgrenzen sind im Ursprungsentwurf nicht vorgesehen. Fließend ineinander übergehende Räume ohne starre Abgrenzungen und der Verzicht auf lineare Abpflanzungen ergeben eine großzügig wirkende optische Tiefe, die die Grundstücke größer erscheinen lassen, als sie tatsächlich sind. Die Terrasse betritt man vom Wohnzimmer aus durch eine raumhohe gläserne Wand mit Schiebemechanismus. Kennzeichnend für die Hausgärten ist die Verwendung modulartig in Serie vorgefertigter Ausstattungselemente, die orthogonal auf das Haus bezogen sind. Die Terrassen- und Wegeflächen werden mit rechteckigen Betonplatten in variierenden Mustern belegt und Sichtschutzmauern aus Ziegelmauerwerk mit integrierten Bänken errichtet.

Holzrankelemente, erhöhte Beete mit „schwebenden“ Einfassungen aus Waschbetonbalken und Wasserbecken als „reflecting pools“ prägen den Außenraum. Die Bepflanzung in Hausnähe ist ebenfalls sehr intensiv und vielfältig, punktuell sogar von intensiver Buntheit. Der Garten gilt als erweiterter Wohnraum von ganzjähriger Attraktivität der sich in jahreszeitlich variierenden Bildern präsentiert.

Haus Mehrfeld, Mörfelden-Walldorf (Fotograf: Iwan Baan)

Quellen________

  • VS Möbel, neutra.vs.de
  • Manuel Bechthold, „Die Neutra-Siedlung in Mörfelden-Walldorf“, November 2005
  • Johannes Stoffler, „Grüne Gegenwelten – Natur als Zivilisationskritik im Werk Gustav Ammans und Richard Neutras“ in werk, bauen + wohnen, April 2005
  • Barbara Lamprecht, „Richard Neutra 1892-1970, Gestaltung für ein besseres Leben“, Köln 2004